Sonntag, 31. Oktober 2010

"Herbstball" bei Schnee

Wenn man sich fragt, wozu man im Sportunterricht auf einem Schwebebalken balanciert und Hindernislauf absolviert, so hat man Russland noch nicht bei Regen erlebt. Am Donnerstag balancierte ich auf Bordsteinkanten entlang, da Fußweg und Straße an einigen Stellen gleichermaßen überflutet waren. Nasses Ekelwetter- wie bereits am vergangenem Donnerstag.

In der Schule alberte ich mit Natascha (der Klassenbesten) und Nastja (welche mir ein Armband schenkte) herum. Irgendwann meinte ich im Spaß: „Ihr seid blöd!“ Ich konjugierte allerdings falsch so dass ich sagte: „Ihr seid ein Irrenhaus!" Man klärte mich über meinen Fehler auf- was erneut zu herzhaftem Gelächter führte.

In Biologie wurden Vlad und ich wieder zum Kekse essen und Teetrinken eingeladen. Jeha! Ich wollte höflich sein und nicht alle Kekse aufessen. Die Lehrerin sah während ihrer Stunde mal nach dem Rechten und fragte uns empört warum wir nicht essen würden. Als sie ein zweites Mal erschien, meinte sie wir könnten das nächste mal noch den Computer einschalten, wenn uns langweilig werden sollte. In solchen Momenten liebe ich die russische Mentalität!

Am Freitag war „Tag des Kürbisses“ . Ein extra erfundener Feiertag, welcher Halloween ersetzen soll. Wenn ich mich mit meinen Mitschülern unterhalte, so höre ich immer die Übereinstimmung, dass man gern Halloween feiert- aber Halloween ist nun mal ein amerikanischer Feiertag und den kann man ja nicht so ohne weiteres einfach in Russland feiern! Weshalb der „Tag des Kürbisses“ eingeführt wurde- also derselbe Feiertag nur in Kürbis und damit sofort machbar an einer russischen Schule…
Viele waren verkleidet, Süßes wurde verteilt, die Schule war geschmückt, kleine Gewinnspiele standen zur Teilnahme aus- man hatte sich wirklich Mühe gegeben. Alles in allem ein bunter, lustiger Schultag – besonders lustig für mich, denn ich bekam in Physik und Englisch eine 5.


Das Begrüßungskommitee am Tag des Kürbisses- sehr fröhlich!

Kolja, Nastja , Natascha und Sonja

Um 15:30 begann der „Herbstball“. Draußen lag Schnee. Im Oktober einen Herbstball abzuhalten ist durchaus passend- nur der Blick aus dem Fenster lässt einen Winterball für angemessener erscheinen.
Der Ball fand im Versammlungsraum der Schule statt. Einige kamen in Kostümen (schließlich war immer noch Tag des Kürbisses) und wieder andere in Abendgarderobe. Wieder fiel mein Blick auf das Schuhwerk der minderjährigen weiblichen Ballteilnehmer… 15-20cm Absätze…*hust* ich habe von einer Freundin mal ein solches Paar anprobiert. Das Laufen in ihnen ist eigentlich gar nicht so schwer- nur bin ich dann fast 1,90m hoch und das ist eindeutig zu viel!
Zunächst präsentierten einige Klassen selbst gedrehte Filme oder einstudierte Stücke, dann wurden die Lichter gedämmt, die Musik eingeschaltet und der Bass aufgedreht. Spätestens dann ging mir auf, dass das Wort „Ball“ mehr ein Codewort für Party war. Ich feierte also mit und verließ die Tanzfläche erst, als ich merkte, dass trotz Aufsicht der Lehrer der Alkoholpegel einiger Feiernden anstieg (natürlich ohne dass die Lehrer etwas davon wussten).

Fazit: „Tag des Kübisses ist Halloween - nur zwei Tage früher“



Der letzte Schultag vor den Ferien! Neuer Schnee, welcher die dreckigen Wege und grauen Häuser mit weiß bedeckte, ließ Tscheboksary ruhiger und reiner erscheinen. Ich zog zum ersten mal meine neuen Winterstiefel an- meine Ugi! Der Schnee knirschte unter ihnen, als ich mich mit Ksjoscha auf den Weg zur Schule machte. Mollig warm war es in meiner Fußbekleidung. Minus 20°C sollten in ihnen auch ohne extra Socken locker abzuhalten sein.

Nach vier normalen Unterrichtsstunden, in welchen sowohl Lehrer als auch Schüler ungeduldig auf das Vorrücken der Uhrzeiger sahen, gab es einen kleinen Appell. Alle Klassen versammelten sich in Gruppen ihrer Jahrgangsstufe- ich stand mit bei den Neuntklässlern. Wie seltsam. Manchmal vergesse ich, dass ich in Deutschland bereits in der 11. Klasse wäre- damit wäre ich hier schon Abschlussjahrgang, denn es gibt nur 11 Klassenstufen an einer russischen Schule.
Es wurden Urkunden für 5er Schüler und besondere Leistungen verteilt. Ksjoschas Freund Sascha ist ein 5er Schüler und lässt das auch alle wissen- es solle ja keiner auf die Idee kommen, einen gewöhnlichen Mitschüler vor sich sitzen zu haben. Wiedereinmal stimmt Zensierung und Leistung nicht überein. Sascha ist faul und macht nie mehr als notwendig- dennoch 5er Schüler mit Auszeichnung…
In der anschließenden Zusammenkunft nur im Klassenverband wurden die Zeugnisnoten verkündet. Dabei gibt es hier ein anderes System, als in Deutschland. Das Schuljahr ist in Viertel aufgeteilt. Jeder Schüler hat in seinem Hausaufgabenheft eine vorgedruckte Tabelle. Dort trägt er pro Schuljahresviertel beim entsprechenden Schulfach seine Gesamtnote ein- anschließend wird es vom Klassenlehrer durch eine Unterschrift für gültig erklärt.
Ich habe leider kein „Zeugnis“ bekommen- und das obwohl ich in einigen Fächern Zensiert worden bin.

Gegen 13:00 Uhr wurden wir endlich in die Ferien entlassen! Für mich begann damit der schönste Teil des Tages. Ich war von Sonja eingeladen worden, mit ihr, Nastja und Natascha zu kochen. Ich würde lernen wie man Scharlottka bäckt!
Wir liefen ein kleines Stück bis zu Sonjas Wohnung.
Sonja führte mich durch die Wohnung. Es gibt sogar ein Spielzimmer für die kleine Schwester! Sofort musste ich an meine eigene Schwester denken, denn sie würde beim Anblick der Schaukel in dem Zimmer sicherlich bis über beide Ohren grinsen und sofort los schaukeln.
Wir gingen in die Küche. Sonjas Mutter wurde mir vorgestellt. Typisch russisch. Wir waren noch nicht mal richtig in der Küche und die erste Frage war:
„Habt ihr Hunger? Ihr müsst was essen!“
Sonja antwortete: „Mama wir machen doch gleich Pizza und Scharlottka!“
„Na und? Etwas Brot kann jeder essen!“ Ihr Blick fiel dabei auf mich.
„Setz dich! Iss! Du bist schrecklich dürre!“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Der Gewinner dieser Runde stand fest. Wir setzten uns und aßen belegte Schnitten und Salat. Das heißt, ich wurde genötigt das Doppelte zu essen, denn schließlich bin ich „furchtbar dürre“.
Sonjas Mutter wusste, dass wir allein kochen wollten und hatte sich deshalb bereit erklärt, mit Sonjas Vater zur Datsche zu fahren, damit wir die Wohnung für uns hätten. Aber sie war einfach nicht zum Gehen zu bewegen.
Mutter: „Ihr wollt also kochen? Wisst ihr überhaupt wie man Scharlottka macht? Wartet ich wähl' euch die Äpfel aus!“
Sonja: „Mama wir können selber Äpfel auswählen!“
Mutter: Jaja ich bin gleich weg ich wasch nur noch schnell die Äpfel!“
Sonja „Mama! Wir können selber Äpfel waschen und schneiden!“
Nastja: „Ehrlich! Ich hab' erst vorgestern mit meiner Mutter Scharlottka gebacken- wir wissen wie das geht!“

Nachdem sie uns abgefragt hatte, welche Zutaten in welchen Mengen für eine Scharlottka notwendig seien und Sonja wegen des Spektakels ihrer Mutter fast an die Decke gegangen wäre, ließ sie uns endlich allein.

Wir buken also Pizza und Scharlottka- beides sehr lecker. Wir hatten viel Spaß- es war ein wunderbarer Nachmittag. Hier ein paar Fotos:




Nastja (welche mir das Armband schenkte) und Natascha (die Klassenbeste) mit Scharlottka
Scharlottka ist eigentlich ein normaler Apfelkuchen- hier noch mit schwarzen Johannisbeeren verziert




Sonja :)


Natascha
Und hier das lengendäre Foto: Scharlotta mit Scharlottka

Als Sonjas Mutter gegen 6 wiederkam, machten Nastja, Natascha und ich uns auf den Heimweg. Sonjas Mutter unterhielt sich kurz mit mir. Wie es mir gehe und ob ich mich hier wohl fühlen würde. Sie erkannte meine russisch Kenntnisse – sie meinte: „Nun- sie spricht doch normal!“ Endlich mal jemand der nicht glaubt ich könne wunder was wie gut Russisch…
Wir wollten gerade die Wohnung verlassen, als sie mich zurück rief und meinte: „Draußen ist es kalt! Warte!“ Sie nahm meinen, bereits umgebundenen, Schal ab, stellte den Kragen meines Mantels hoch und wickelte den Schal erneut um meinen Hals. „Sonst erfrierst du! Hast du keine Mütze?!“ „Nein- draußen ist es nicht so kalt. Ich brauche sie noch nicht!“ Ein entrüsteter Blick, doch sie ließ uns gehen.
Kaum war ich draußen band ich meinen Schal wieder auf meine gewohnte ohne-Kragen-hochstell- Methode um. Das wiederum führte zu Gelächter meiner Freundinnen.
Mal ehrlich! Ich bin allein in Russland und fast 17! Das ist nicht der erste Winter für mich und mit den jetzigen Temperaturen von –5°C bin ich durchaus vertraut! Hier ein lieber Gruß an meine eigene Mutter: Dem Himmel sei Dank bist du keine Glucke!

Natascha und Nastja brachten mich noch bis zur Bushaltestelle. Ich hoffe, wir machen so etwas noch öfter!

Im russischen Heim angekommen war ich froh, mal nicht von meiner Gastmutter zum Essen genötigt zu werden, denn auch sie kannte Sonjas Mutter und wusste ich würde randvoll zugestopft sein.
Stattdessen wartete ein weiteres Paket auf mich. Meine Großtante hatte mir Süßes, ein warmes Oberteil, einen beigelegten Brief und eine Ingwerwurzel, zur Stärkung des Immunsystems, geschickt. Vielen Dank! Ich freue mich sehr!


In dem Sinne: liebste Grüße aus dem verschneiten Tscheboksary....

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Fanpost!

Es war wieder einmal Schuluniformpflicht angesagt. Eigentlich ist es das hier jeden Tag. Jeder Schüler sollte ein weißes Oberteil und schwarze Hosen tragen…nur hält sich kaum jemand daran. Doch am Montag war es ernst. Jeder der nicht in Schuluniform erschien, würde fotografiert und im Schulhaus ausgehängt werden. Ich dachte also, heute würden alle brav in schwarz- weiß gekleidet sein. Pustekuchen. Fast ein viertel der Schüler lief immer noch in Jeans und Pulli durch die Schule- bin mal gespannt, wann die Fotos ausgehängt werden. Die Schuluniform ist faszinierend neu für mich, denn an meiner deutschen Schule gab es diese –zum Glück- nicht. Auch neu für mich ist der „Diensthabende Schüler“. Darunter versteht man, dass der Schüler zur Aufsichtsperson wird. Jede Woche ist eine andere Klasse eingeteilt. Diejenigen, welche „im Dienst“ sind müssen:
- am Morgen das Begrüßungskommando im Foyer sein
- in den Pausen die Fluraufsicht führen
- groben Müll von den Schulfluren entfernen
Ein Vorteil hat es dennoch für den Schüler: wenn er „im Dienst“ ist, wird er an der Schulcafeteria sofort bedient und muss nicht warten. Es ist wirklich sagenhaft was jede Pause an der Cafeteria passiert. Sobald die Pausenglocke schrillt, spurten Schülerscharen an die Cafeteriatheke, drängeln und quetschen, wedeln mit ihren Geldscheinen und jeder will zuerst an der Reihe sein. Es erinnert an einen türkischen Basar. Wenn ich mir überlege, dass man in England sogar an der Bushaltestelle in einer Reihe ansteht…also da könnte man sich hier doch wirklich mal 'ne Scheibe abschneiden!


Mein Vater hat Hamley natürlich nicht ohne Hintergedanken mitgeschickt - natürlich muss ein Bild mit russischem Hintergrund aufgenommen werden. Hier also Hamley in Russland. Er sieht etwas geschafft aus- aber die Kirche im Hintergrund macht das wieder wett...


Ein weiteres Paket trudelte am Dienstag ein. Ein Paket meiner Großeltern mütterlicherseits. Inhalt: ein Brief, eine rosa Weste für Dascha (die hier alle total klasse finden- meine Gastmutter bedankt sich tausendfach bei euch, Oma und Opa), ein roter Pulli für Ksjoscha, Entspannungstee für mich, sowie eine warme Mütze und dicke Socken (werde ich sicher gebrauchen können), viel Schokolade, Kakao und eine silberne vierblättriges- Kleeblatt- Brosche, welche mir Glück bringen soll. Vielen, vielen Dank! Ich freue mich sehr darüber!! Socken und Mütze werden ich sicherlich bald Verwendung finden, das Kleeblatt trage ich bereits und Teile der Schokolade sind nun schon an einem besseren Ort.
Übrigens ist „Paket bekommen“ hier ein viel größerer Aufriss, als in Deutschland. Zunächst findet man einen Zettel der zuständigen Poststelle im Briefkasten. Anschließend muss ein Erwachsener des Haushaltes mit Pass zum Postamt. Dort werden Formulare unterschrieben und Pass kontrolliert- erst dann wird das Paket ausgehändigt. Nichts mit mal eben aus der Haustür treten, Unterschrift leisten und Paket entgegennehmen…


Als ich am Mittwoch nachsah, ob ich neue e-Mails bekommen habe, traf mich der Schlag. Fanpost. Ernsthaft. Fanpost. Beim Sprachenfestival hatte ich meinen Namen bei einer russischen Chat–Community angeschrieben, um eine Kontaktierungsmöglichkeit zu bieten. Und nun hatte ich 10 Freundschaftsanfragen und mindestens genauso viele Mails. Man schrieb mir wie sehr unsere Präsentation gefallen hätte, dass ich gut russisch könne, alles was mit Deutschland zu tun hat Klasse ist und man mich unbedingt näher kennen lernen wolle. Dabei wurden unglaublich viele Smileys, Küsschen und Ausrufezeichen verwendet. Ich antwortete allen- mal sehn wie das weiter geht…

Am Abend kam noch ein Schulfreund meiner Gastmutter zu Besuch. Er meinte, er habe schon von seinem Sohn (welcher in meine Klasse geht) gehört, dass ich gut Russisch könne und würde dies bestätigen. Wir aßen zu Abend. Meine Gastmutter und der Gast sprachen angeregt über vergangene Zeiten.
Nach dem Essen bedankte ich mich –wie immer- für die Mahlzeit (das ist hier so üblich- sogar die eigenen Kinder sagen immer brav danke nach einer Mahlzeit). Meine Gastmutter sah mich begeistert an und meinte: „Hör mal! Bald sprichst du akzentfrei!“ Und wieder einer mehr der mich für gut russisch sprechend hält…und dabei habe ich immer noch nicht das Gefühl sonderlich wortgewandt zu sein.


Fazit: „Deutschland ist ja so klasse!“

Sonntag, 24. Oktober 2010

Du bist ein Spion!

Der Samstag war der beste Tag, welchen ich hier bisher erleben durfte.
Obwohl ich dank des Wettbewerbs nicht zur Schule musste, stand ich früh auf, schließlich war Babysitten angesagt. Ich habe keinerlei Erfahrungen was Babysitten betrifft, da ich als einziges Geschwisterchen einen Zwilling aufzeigen kann. Es lief prima- wir bastelten, malten, spielten verstecken…dann fiel mir auf, dass Dascha rote Punkte an ihrem Körper hat. Windpocken. Ich rief meine Gastmutter an. Sie meinte daraufhin sie würde auf dem Rückweg von ihrer Arbeit Medikamente einkaufen.
Ich beschäftigte Dascha weiter. Ich begann sie auszutricksen. Schließlich musste ich Essen für sie kochen und wollte meine Gastmutter mit einer gewischten Wohnung überraschen. So ließ ich sie sich verstecken und führte anschließend laute Selbstgespräche wo sie denn nur sei und dass ich sie nicht finden könne, während ich Essen machte und hoffte sie käme nicht aus ihrem Versteck hervorgekrochen.
Sie kam nicht hervorgekrochen. Ich kochte Bratkartoffeln mit Ei, Gehacktem und dazu Brötchen. Dann wischte ich die Wohnung. Meine Gastmutter war sichtlich beeindruckt, als sie nach Hause kam. Aber ich hatte kaum Zeit mich darüber zu freuen – ich musste weg. Katja hatte am Abend zuvor eine SMS geschrieben, sie möchte uns heute 13 Uhr treffen. Keiner wusste wieso. Ich vermutete, wir würden endlich mal besprechen, worüber wir genau beim Sprachenfest reden würden.
Ich war bereits spät dran. So stürzte ich aus der Wohnung, zog noch im Fahrstuhl Mantel und Schal über. Im Gehen steckte ich meine zerzausten Haare zusammen, damit man mir den doch stressigen Vormittag mit klein Daschula nicht so sehr ansah. Dann legte ich noch einen Sprint zum Trolleybus hin und liess mich erschöpft auf einen freien Platz fallen. Ein mittlerweile und bedauerlicherweise bekannter Geruch stieg mir in die Nase. Er kam von dem Mann neben mir. Ein beißender, Übelkeit erregender Mix aus Fisch und Alkohol. Schrecklich! Mindestens 2 mal in der Woche trifft man diesen Geruch im Trolleybus an…

Ich kam mit 5 Minuten Verspätung beim Treffen an. Man nahm es mir nicht übel, da ich vorbildlich angekündigt hatte, dass ich zu spät kommen würde.
Wir gingen in die Universität. Katja erzählte uns, worüber wir bezüglich des Sprachenfestivals sprechen könnten und fragte uns, wie wir hier zurecht kommen würden. Dann gingen wir in einen Saal. Es war wie ein Theatersaal. Große Bühne, sogar Logen, viel Publikum und ein riesiger Kronenleuchter. Wir setzten uns- noch dachte ich es wäre nur eine Generalprobe, bei der wir gemütlich zusehen würden. Dann meinte Katja: „Wenn sie euch aufrufen, müsst ihr nur kurz sagen, warum ihr hier seid. Das genügt.“ Schock. Bühne. Publikum. Hatte ich den gefüllten Theatersaal schon erwähnt? Sophia (auch aus Deutschland) und ich begannen nun zu diskutieren was wir sagen könnten und wer von uns überhaupt etwas sagen würde. Und dann wurden wir auch schon aufgerufen. Der Deutsche, welcher bereits an meiner Schule eine Präsentation gehalten hatte, stellte sich vor. Wir standen etwas abseits von ihm. Ich betrachtete das Publikum- von der Bühne aus noch respekteinflößender.

Die Bühne.

Das Publikum- von der Hälfte des Saals fotografiert, wo wir zunächst saßen.


Er war fertig mit seiner kleinen Ansprache. Ich wollte keine peinliche Pause entstehen lassen und schritt entschlossen - wenn auch selbst verwundert über mein Handeln - zum Mikrofon. Die Scheinwerfer schienen warm und grell in mein Gesicht- so sah ich wenigstens das Publikum nicht. Ich hatte nichts einstudiert- also eigentlich keine Ahnung was ich jetzt sagen würde und schon gar nicht wie auf Russisch. Ich redete also einfach mal drauf los: „Hallo! Wir sind auch aus Deutschland und werden auch von Deutschland erzählen.“ Nicht viel, aber es reichte- schließlich war die vorherige deutsche Ansprache lang genug gewesen. Katja sah mich lächelnd an und meinte. „Alles richtig!“ Ich hatte also auf einer Bühne, vor einem gefüllten Saal aus dem Stegreif einen grammatisch korrekten Satz gesagt. Jeha! Aber nochmal brauch' ich das nicht…
Es stellten sich noch viele weitere Ländervertreter vor. Unter anderem: Türkei, Afrika, Polen, Schweden, Norwegen, Armenien, Amerika, Schweiz, Italien, Spanien usw…
Es wurden noch Fotos geschossen wie alle beisammen stehen, bevor wir endlich die Bühne verlassen konnten.
Wir bekamen ein Papier in die Hand gedrückt. Ein Zeitplan. Darauf stand geschrieben, zu welcher Uhrzeit welche Sprachen präsentiert wurden. Uns war mittlerweile aufgegangen, dass wir nicht erst Morgen über unsere Muttersprache sprechen würden, sondern bereits heute. Wir waren nur halbwegs vorbereitet. Das könnte ja was werden…
Erleichterung tat sich auf als Katja entnervt ankam und meinte die Organisatoren hätten uns nicht mit eingeplant und wir könnten bis um fünf tun, wonach uns der Sinn stünde, aber Punkt fünf hätten wir am YFU- Präsentationsraum zu sein. Juhuu! Wir müssen nicht vor einem gefüllten Klassenzimmer auf Russisch herumstottern, was die deutsche Sprache ausmacht.
Wir (bestehend aus: 3 Deutschen, einem Schweizer, einer Amerikanerin und einer Italienerin) gingen ins Stadtzentrum. Dort kaufte ich mir etwas tschuwaschisches Konfekt, in welches ich mich verliebt habe. Ich finde den mit Haselnuss/Schokoladencreme gefüllten Keks, überzogen von Vollmilchschokolade und Haselnussstückchen leckerer als alles was ich bisher an Konfekt probieren durfte.
Wir spazierten etwas am Ufer des Seitenarmes der Wolga entlang. Es war ein sonnig warmer Tag.



Wir waren pünktlich um 5 wieder in der Universität. Dort wartete ein freundlicher Herr auf uns, dem „Hiobsbote“ praktisch auf der Stirn geschrieben stand. Er meinte wir könnten in zehn Minuten eine Präsentation halten. Er sah uns eindringlich an, so dass wohl eher von müssen als von könnten die Rede war.
So machten wir uns notgedrungen auf den Weg zu dem Klassenzimmer, in welchem wir nun sprechen mussten. Vor dem Klassenzimmer begrüßte uns ein ausgelassen fröhlicher Mann. Er meinte: „Ik bin ooch Deutscha, wa!“ Alles klar- Berliner. Er erzähle, dass er hier seit 5 Jahren leben würde und fand faszinierend wie man sich in einem so zarten Alter zu dem Abenteuer eines Austauschjahres entschließen kann. Auch den Deutschen, welcher an meiner Schule bereits gesprochen hatte, traf ich wieder. Wir alle gingen ins Klassenzimmer. Die einzigen Sprachsicheren überließen uns das Reden. Super. Und ich hatte gehofft, dass wir durch die zwei Männer entlastet werden würden.
Sophia sprach zunächst über Dialekte und die Geschichte der deutschen Sprache. Clemens vermittelte einfache Sätze wie: „Guten Tag!“ Oder „Ich liebe dich.“ Anschließend sprach ich darüber, dass es einige deutsche Worte in der russischen Sprache gibt zB.: Wunderkinder, Butterbrot, Absatz, Buchgalter (Buchhalter), Galstuk (Halstuch- hier aber Krawatte), Gastarbeiter … .
Anschließend stellten wir uns der Fragenflut der neugierigen Zuhörer. Zum Glück hatten wir die zwei Männer an unserer Seite, welche uns bereitwillig übersetzten. Dennoch versuchten wir so gut es ging selbst zu antworten und zu verstehen. Es wurden unzählige Fotos von und mit DEN Deutschen geschossen.
Nach der Präsentation kamen ein paar Studentinnen auf mich zu und meinten: „Du lebst jetzt also schon ein Jahr hier…“ Ich :“Nein, den zweiten Monat.“ Die Reaktion: „Krass! Man hört manchmal keinen Akzent wenn du sprichst!“ Ich „Danke!“ Daraufhin die Studentinnen: „Schon wieder!“ Die übrigen Austauschler hatten das Gespräch mitbekommen. Jetzt fingen die auch noch damit an wie gut ich Russisch könne und wie deprimierend es sei, dass sie es nicht so gut können würden. Ich kann nicht gut Russisch!

Dennoch führten die Erfolge und Komplimente dazu, dass ich mich mit einem breiten Grinsen – bis über beide Ohren- auf den Heimweg machte.
In der Wohnung wurde ich von Dascha, Gastmutter, „Oma“, dem Schwager meiner Gastmutter und einer weiteren Oma begrüßt. Volles Haus. Ich wurde freundlichst begrüßt. Anschließend wurde mein gekochtes deutsches Mittagessen sehr gelobt- und dabei waren es doch nur olle Bratkartoffeln.
Als Ksjoscha nach Hause kam, war sie in Begleitung ihres Bruders und zwei seiner Kumpel. Ksjoscha meinte, die beiden wollten mich unbedingt kennen lernen. Sie heißen Schenja und Schenja. Zwei Menschen –ein Name. Der eine Schenja war vor kurzem für 3 Monate in Amerika.
Während die Kerle sich an der gut gefüllten Essentafel vergnügten, erzählte ich Ksjoscha wie mein Tag war. Wie abgedreht und unorganisiert. Es sprudelte aus mir raus. Und während ich so sprudelte, kamen die Kerle ins Zimmer. Man sah mich mit großen Augen an. Schenja (welcher in Amerika war) sprach mich auf englisch an und meinte, er wolle sein Englisch auffrischen. Ich unterhielt mich mit ihm auf englisch. Zwischendurch fragten die anderen mich etwas auf russisch- ich antwortete russisch. Schenja hielt inne, grinste und meinte: „Du bist ein Spion!“ Ich irritiert aber grinsend „Was? Bist du blöd? Wieso glaubst du das denn?“ Er „Englisch kannst du. Deutsch kannst du. Wenn du russisch sprichst, hat man teilweise den Eindruck du würdest hier leben - als wäre es deine Sprache und schön bist du auch noch- Spion!“ Ich lachte, bedankte mich und unterhielt mich weiter mit ihm. Schenja ist bereits 20 und als ich ihm aufzählen musste welche Länder ich bereits bereist habe meinte er: „Ich fühle mich wie ein kleiner Junge neben dir!“ Ich musste erneut lachen. Erfrischend. Jemand der älter ist als ich- jemand der auch Austauschler war und mit mir auf einer Wellenlänge ist. Wir unterhielten uns noch ein Weilchen- wobei er merkte, dass mein Russisch doch nicht so perfekt ist wie zunächst geglaubt.
Gegen 10 verließen alle Gäste die Wohnung. Ein anstrengender, erfolgreicher, prägender Tag ging zu Ende. Ich habe auf ein Kind aufgepasst, stand auf einer Bühne, habe mich Fragen gestellt und für einen Spion erklären lassen. Und heute früh wusste ich gerade mal, dass ich auf Dascha aufpassen würde…

Am Sonntag gingen Ksjoscha und ich für ihre Mutter einkaufen. Dascha hat die Windpocken. Ein niedlicher Anblich, denn diese Krankheit wird hier mit einer grünen Paste behandelt- Dascha ist am ganzen Körper grün gepunktet. :) Jedenfalls musste deshalb meine Gastmutter auf sie aufpassen, da Dascha bereits eitel ist und ihre Erscheinung keinem zeigen will.
Das erste mal dass ich Eier ohne Karton drum herum gekauft habe. 10 Eier in einer Plastik Tüte. Seltsam.
Anschließend gingen wir Natascha zum Geburtstag gratulieren. Im McDonalds, welch' wunderbarer Ort um seine Geburt zu feiern… *hust*
Im McDonalds erkannten mich einige Studentinnen wieder. Es bildete sich eine Ansammlung um mich. Ksjoscha und Freundinnen sahen mich erstaunt an. Keine Zeit darauf zu reagieren. Man quatschte mich von allen Seiten zu. Eine fragte ob ich irgendetwas aus Deutschland bei mir hätte, was ich ihnen evtl schenken könne. Ich schenkte ihnen eine Busfahrkarte. Diese sehen hier wirklich komplett anders aus. Sie freuten sich riesig und zogen angeregt quatschend ab.
Der Sonntag war entspannt.

Liebste Grüße vom Lottchen

Fazit: „In Russland scheint das Motto: „Erwarte das Unerwartete!“ zu gelten…

Freitag, 22. Oktober 2010

Ich liebe Russland!

Der Donnerstag begann fantastisch. Unser Bus fuhr Ksjoscha und mir vor der Nase weg, als wir darauf warteten dass die Ampel grün wird. Das bedeutete nun warten. Die Temperaturen befinden sich rund um den Gefrierpunkt und es weht ein heftiger Wind - zudem kam leichter Nieselregen auf. Wir warteten. Das nervige am Warten auf den Bus hier ist ja nicht das Warten an sich- sondern die Ungewissheit, wann der Bus nun kommt. Ob in 5, 10 oder 15 Minuten – man weiss es nicht. In solchen Momenten wünsch' ich mir den deutschen Busfahrplan. Ich fror als der Bus endlich um die Ecke bog. Zum Glück würde es heute das letzte mal vor dem Winter sein, dass ich meine Übergangsjacke tragen würde- schließlich werden wir heute mein Paket abholen. Wir stiegen in den Bus ein. Schrecklich. Noch weniger Platz als sonst. Diesmal hatte ich nicht mal meinen üblichen, knappbemessenen ¼ Quadratmeter, sondern nur Platz um mich hinzustellen. Wer Platzangst hat, sollte vermeiden zur Rush-hour mit dem Trolleybus zu fahren. Man quetscht und drängelt, keine Zeitschrift passt zwischen einen selbst und die übrigen Mitfahrer. Bei jeder Haltestelle scheinen mehr einzusteigen als auszusteigen. Irgendwann begann die Busfahrerin entnervt Durchsagen zu schreien, dass sie die Türen nicht schließen könne und gefälligst Leute aussteigen sollen. Das führte dazu, dass sie die Türen schließen konnte- aber nur weil man sich noch mehr zusammenquetschte. Und hatte ich mich eben noch über den Wind und die Kälte geärgert, so freute ich mich darüber als ich aus der zu warmen Bakterienschleuder mit beschlagenen Scheiben ausstieg.

In Geometrie erhellte sich meine Stimmung. Der Test, welchen wir in der vergangenen Algebrastunde geschrieben hatten, wurde zurückgegeben. Die Lehrerin trat an mich heran. Sie sah ernst aus. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Mit einem mal hellte sich ihr Gesicht auf. Sie sagte : „Scharlotta- kakoi maladjez!“ übersetzt: „Charlotte- welch' ein Prachtkerl!“ Wobei Prachtkerl hier auch für weibliche Geschöpfe angewendet wird. Ich schlug das Heft auf: eine 5! Eine glatte 5 in Mathematik! Ich bin im Ausland in Mathe besser als in meiner Heimat!! Nun gut - es ist die 7. Klasse, aber ich kann mich trotzdem nicht erinnern wann ich überhaupt mal ne eins in Mathe bekommen habe! JEHA!

So hoch gehoben, so schnell gefallen. In Russisch wurde das Diktat zurückgegeben. Bei mir steht ein einfaches „angesehen“ darunter. Das schreiben die Lehrer hier bei allen Austauschlern, wenn es eigentlich eine 2 gäbe, da man besagte Schülerlein nicht frustrieren will.

In der Pause darauf bekam ich drei weitere Armbänder von meinen Mitschülern der 6. Klasse geschenkt. Damit sind es jetzt schon 11 Armbänder, welche ich um meine Handgelenke trage! Man witzelt bereits, dass bei meiner Rückkehr nach Deutschland beide Arme vollständig mit Armbändern bedeckt sein werden.

Biologie war am Donnerstag einfach nur genial. Mitten in der Stunde wurde der Liebling der Lehrerin aufgefordert sich ins Vorbereitungszimmer zu setzen und Tee zu trinken. Ich stutzte. Hatte ich richtig verstanden? Tee trinken- kein Unterricht für ihn?
Nach 5 Minuten sah mich die Lehrerin an, bemerkte dass sie diesmal vergessen hatte mir wieder eins der furchtbar spannenden Biologiebücher, zum durchlesen, gegeben zu haben und meinte: „Dir muss ja furchtbar langweilig sein, wenn ich diktiere und du kaum etwas verstehst! Geh Tee trinken!“ Sie verliess das Zimmer. Ich folgte ihr. Bevor ich das Klassenzimmer verliess winkte ich meinen Klassenkameraden grinsend zu, was für Erheiterung sorgte.
Da saß ich nun in der Biologiestunde und futterte zusammen mit Wlad (dem Lehrerliebling) Kekse. Er erzählte, er habe hier letztes Jahr fast immer gesessen und wenn ich wolle, könne ich sogar den Computer einschalten und darauf spielen. Ich lachte und meinte: „Ich liebe Russland!“ Er antworte grinsend: „Ich auch!“

Am Spätnachmittag ging ich wieder zum Sport. Mein neues Trainingsprogramm hat es in sich. Zwischendurch musste ich entkräftet eine kleine Pause einlegen, in welcher ich mir mein altes, entspanntes Programm zurück wünschte. Nach ein paar Minuten strampelte ich mich weiter ab, in der Hoffnung, dass die Schinderei wirklich etwas bringt und meine Sportnote vielleicht mal besser als 3 (deutscher Maßstab) wird.

Total fertig kam ich im russischen Heim an- nur ein Gedanke: Dusche! Ich öffnete die Tür. Und da stand es. Mein Paket. Mein 17 Kilo schweres Präsent aus der geliebten Heimat. Meine warme Jacke…
Dascha sprang mir freudig entgegen und rief: „Puppenwagen! Puppenwagen!“ Das Mädchen wünscht sich seit Ewigkeiten einen Puppenwagen und geht damit allen auf die Nerven. Meine Gastmutter bat mich, einen Puppenwagen aus Deutschland zu besorgen, da hiesige Puppenwagen hässlich oder überteuert seien.
Ich öffnete das Paket. Obenauf lag ein Brief- die Handschrift meiner Mutter. Sie schrieb im Namen der Familie, dass ich ihnen fehlen würde, was im Paket drin ist und was sie noch hinzugefügt haben. Während ich las, sprang Dascha um das Paket, zerrte daran und rief immer wieder : „Puppenwagen!“
Ich sah nun genauer in das Paket. Ein Geschenk für Irina fiel mir ins Auge. Ein roter Tischläufer und ein Brief um genau zu sein. Der Brief war russisch verfasst, was unweigerlich dazu führte, dass meine Gastmutter meinen Vater nun für ein Russischgenie hält, da der Brief fehlerfrei ist und mit dem Namen meines Vaters unterschieben. Zur Zeit lebt allerdings ein Mädchen aus Moldawien bei meiner Familie, weshalb ich vermute, dass der Brief eigentlich von ihr verfasst wurde.
Für Ksjoscha war ein grüner Pulli mit der Aufschrift: „Naschkatze“ vorgesehen. Sie freute sich- schließlich ist ein Pulli mit deutschem Aufdruck hier etwas Besonderes.
Und dann war da der langersehnte Puppenwagen- welcher noch zusammengebaut werden musste. Kein großer Akt an sich. Nur Achsen einsetzen, Räder befestigen und auseinander klappen. Meine Gastmutter meinte nur: „In solchen Momenten fehlt uns der Mann im Haus!“ Ich grinste- wie gesagt kein großer Akt- und schließlich ist es ein Puppenwagen für ein 3-jähriges Mädchen, also weder besonders groß, noch schwer. Ich baute den Puppenwagen innerhalb von 5 Minuten zusammen und versetzte meine Gastmutter damit in Staunen.
Dascha schnappte sich sofort den Puppenwagen, legte eine Puppe hinein, rannte mit ihm begeistert durch die Wohnung und brüllte : „Daaaankeee!“
Ich sah erneut ins Paket. Mein Blick blieb bei „Hamley“ hängen. Hamley ist ein grünes Plüschtier, welches wir einst in England im gleichnamigen Laden kauften. Seitdem reist er überall mit hin. In jedem Familienurlaub gibt es ein Foto auf welchem Hamley zu sehen ist. Mein Vater haucht dem Plüschtier Leben ein. Ein Beispiel. Wenn meine Mutter verreist, so schickt mein Vater Tage zuvor ein Paket an den Urlaubsort meiner Mutter. Wenn meine Mutter das Paket dann nach ihrer Ankunft öffnet befindet sich in ihm Hamley und ein Zettel auf welchem steht „Ich bin schon da!“.
Nun ja, hier mal ein Bild von unserem vielgereisten Familienplüschtier im niegel-nagel-neuen Puppenwagen.
Hamley war unter anderem schon in England, in Frankreich, Spanien, an der Ostsee, in Italien (Sizilien), Tschechien, Polen ...und nun auch Russland!


Ich sah wieder in das Paket. Ich fand einen Hustentee von meinen Großeltern, welchen sie im Gedenken an meine schlimme Erkältung zu Beginn meines Aufenthaltes beigelegt hatten. Zudem noch ein Schreiben und Smarties von ihnen. Ich freute mich sehr- vor allem über die schokoladigen Smarties, welche bereits das zeitliche segnen mussten.
Dann fand ich noch Bücher, Schokolade (welche ich hier zu gegebenen Anlässen verschenken werde, da Milkaschokolade hier stark überteuert ist), meine übrigen Kleidungsstücke und vor allem meinen langersehnten Wintermantel im Paket.
Ganz unten lag ein Brief von meiner Schwester. Mein Zwilling hatte es sich nicht nehmen lassen einen persönlichen Gruß zu senden. Da ich Angst hatte weinen zu müssen, beschloss ich den Brief morgen zu lesen, wenn ich allein in der Wohnung sein würde.

An dieser Stelle: Vielen Dank an meine Familie für das Paket- im Allgemeinen für die tatkräftige Unterstützung meines Austauschjahres. Vielen Dank!


Der Freitag würde ein guter Tag werden. Das merkte ich daran, dass ich, als ich aus der Haustür trat, nicht fror. Es wehte kein Wind und in meinem Mantel war mir warm. Es wurde noch besser. Im Trolleybus war heute kein Gedränge- ich ergatterte einen Sitzplatz!

Nach einem kurzen Schultag von nur vier Stunden- von welchen eine eine Freistunde war- kehrte ich in mein russisches Heim zurück. Sturmfrei. Ich nutze die Abwesenheit der gesamten Familie, um die Schokolade in meinem Koffer zu verstecken. Der Anblick der leckeren Schokolade würde unweigerlich dazu führen, dass ich alles abgeben müsste und nichts mehr zu verschenken hätte.
Auch las ich den Brief, welchen mein Zwilling verfasst hatte. Meine Reaktion war wie erwartet und ich war froh, dass niemand zu Hause war.

Bald kehrten Dascha, Ksjoscha, Sascha und meine Gastmutter heim. Meine Gastmutter fragte mich, ob ich morgen auf Dascha aufpassen könne, da sie arbeiten müsse und keiner sonst Zeit hätte. Wie passend. Morgen muss ich ausnahmsweise nicht zur Schule, da ein Wettbewerb geschrieben wird. Der Gewinner bekommt ein Auslandsjahr in Amerika finanziert- und da ich kein russischer Staatsbürger bin, darf ich daran nicht teilnehmen. Ich muss sagen ich habe etwas Angst bis um 12 mit Dascha allein zu sein- sie neigt dazu ohne ihre Mutter in Tränen auszubrechen und zu rufen: „Meine Mutter hat mich verlassen und kommt nicht wieder!“ Mal sehen wie das wird…
Bald darauf klopfte es an der Tür. Die Volkszählung. Ich musste besondere Fragen beantworten z.B. Herkunft, Zweck des Aufenthalts usw. – könnte ja sein ich bin illegal hier. Nun ja- jetzt bin ich in der russischen Volkszählung erfasst.

Nach dem allabendlichen Ritual des Sandmannschauens ging ich zu Bett.

Fazit: „Mein Paket ist innerhalb eines Monats hier angekommen und das sogar unversehrt und vollständig! Zudem habe ich erfahren, dass man ein Paket hier von der Poststelle abholen muss…wieder mal ein sehnsuchtsvoller Gedanke an das nervige Klingeln der deutschen Post am Samstag morgen, welche auch Pakete direkt vor die Haustür bringt…“

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Highlight!

Am Montag schrieben wir in Algebra einen Test. Auch die Hausaufgabe musste wieder einmal abgegeben werden. Das Einsammeln und Zensieren von Hausaufgaben wird hier übrigens fast jede Stunde durchgeführt- ganz im Gegensatz zu dem, was ich aus Deutschland gewöhnt bin. Nun ja, der Test ging so. Eine Aufgabe verstand ich nicht, aber ansonsten hatte ich immerhin das Gefühl verstanden zu haben, was von mir verlangt wurde.

In Russisch schenkte man mir ein weiteres selbstgemachtes Armand. Nun zieren mein Handgelenk neun Armbänder, von welchen ich nur 4 selbst gemacht habe.

Am Dienstag bekamen wir selbige, zu zensierende, Schriftstücke wieder. Die Spannung steigt… in dem Test habe ich eine 4! Aber noch nicht zu früh freuen- schließlich gibt es noch zwei zensierte Hausaufgaben. Einmal 5- und eine 4!! Na wenn ich da nicht mal die Aufgabenstellung verstanden habe! Suuper! An dieser Stelle erlaube ich mir meinen Vater zu zitieren, welcher mir vor Kurzem schrieb: „Ich hätte nie gedacht, das ich mich mal über vieren freue!“ Ja, ja an dieser Stelle hätte James Bond wiederum gesagt: „Sag niemals nie!“

Nach der Schule traf ich mich mit Sophia und Clemens zwecks Krisensitzung. Wie ihr bereits wisst, müssen wir am Sonntag bei einem Sprachenfest über Deutschland erzählen. Das Problem ist, dass wir keine Ahnung haben, wo genau, wann, vor wem und worüber genau. An dieser Stelle fühlen wir uns von unserer Organisation etwas allein gelassen- nach dem Motto: macht mal! Aber wer weiss, vielleicht naht die Rettung bald… Wir setzten uns ins McDonald und besprachen grobe Ablaufdinge. Sophia wird uns vorstellen und grob etwas über die deutsche Sprache erzählen. Anschließend vermittelt Clemens einfache Sätze wie: „Guten Tag!“. Gefolgt von mir – ich versuche einen Zungenbrecher bei zu bringen, welchen ich mir zunächst erst mal selbst erfolgreich beibringen muss…
Die übrige Zeit plauderten wir über unser Leben hier und unsere gesammelten Erfahrungen. Es ist wunderbar sich zur Abwechslung mal wieder auf deutsch zu unterhalten, mit Leuten welchen es ebenso wie einem selbst geht. So erfuhr ich, dass ich die Einzige –von uns 3en – bin, welche Noten bekommt…na klasse…nein ich reg mich nicht auf.. :)

Im russischen Heim angekommen, fand ich eine leere Wohnung vor. Ksjoscha war dabei Dascha vom Kindergarten abzuholen, da meine Gastmutter beim Zahnarzt war. Kurz nach meinem Eintreffen, klingelte es. Ich fragte durch die abgeschlossene Tür wer da sei. Ein Mann stellte sich vor und meinte er wolle mit meiner Mutter sprechen. Es klang wichtig – ich öffnete die Tür. Letztendlich war es nur ein Kartoffelverkäufer. Ich lehnte dankend ab und er ging. Dennoch wieder ein kleines Erfolgserlebnis. Ich habe einen Menschen, welcher in seiner gewohnten Sprechweise sprach, verstanden und so geantwortet, dass er verstand.

Hier mal ein paar Bilder meiner Winterstiefel

Leder, Fleece und Fell sollen eisige -40 Grad abhalten...

Ich mit Winterstiefeln und neuem Pulli- und gezwungener Grinse...


Der Mittwoch wurde mit einem Diktat in Russisch eingeläutet. Ich äußere mich jetzt nicht genauer zu meinem Bauchgefühl- am Ende ist es vielleicht falsch und sorgt für Enttäuschung.
Aber ich sage mal so viel: ich habe mehr als 50% der Worte verstanden, welche diktiert wurden.
In Englisch lasen wir einen Text über verschiedene Volkstrachten. Ein Abschnitt war Deutschland gewidmet. Dort stand nun, dass der Norden Deutschlands Trachten albern und der Süden Deutschlands besagte Volkskleidung klasse findet usw. Was man nicht so alles in einem Englischbuch der 10. Klasse nachlesen kann…

Mein persönliches Highlight der Woche geschah heute. Meine Gastmutter kam in der Pause zu mir und meinte: „Scharlota, dein Paket ist da!“ Mein Paket aus Deutschland ist da! Mit dem warmen Mantel, auf welchen ich so sehnlich warte! Ich war so glücklich das ich Ksjoscha umarmte und hochhob- ganz ehrlich sie muss dringend was essen- ich konnte jeden Knochen spüren! Ksjoscha grinste, Lera lachte laut, meine Gastmutter freute sich mit mir. Wunderbar! Am Donnerstag holen wir das Paket von der Post ab. Es ist 17kg schwer! Bin gespannt ob kleine Überraschungen eingepackt wurden…

In der darauffolgenden Stunde bekamen wir Besuch. Ein deutscher Mann, welcher gerade sein Studium beendet hatte, erzählte uns etwas über die deutsche Sprache. Er gestaltete es zweisprachig. Zunächst sprach er auf deutsch- schließlich solle man auch mal hören, wie Deutsch klingt und dann übersetzte er es ins Russische. Sehr witzig. Ich verstand beide Versionen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich sah die neugierigen, freudigen Blicke meiner Klassenkameraden, die merkten, dass ich wirklich verstand was er in dieser seltsamen Sprache sagte. Irgendwann merkte auch er, dass alle Augen abwechselnd auf mich und dann auf ihn gerichtet waren. Er fragte warum denn alle so seltsam grinsen würden und man antwortete ihm ich sei auch aus Deutschland. Nun wurde es noch spaßiger. Er und ich wechselten ein paar Sätze auf Deutsch. Die Gesichter meiner Mitschüler- zum schießen! Nach der Stunde musste ich allen erzählen worüber wir uns unterhalten hätten. Ich sehe ihn vermutlich beim Sprachenfestival am Sonntag wieder.

Am Abend ging ich zur Auswertung meines Fitness-Tests. Mein Körper hat eine 3 bekommen (1 ist die beste Note, 5 die schlechteste). Außerdem habe ich jetzt schwarz auf weiß, dass ich zu fett bin. Mein Körperfettanteil liegt bei 30,1%- sollte aber maximal bei 24,5% liegen. Außerdem ist meine Kondition so schlecht, dass man mich fragte, ob ich Herzprobleme hätte. Na danke. Leicht frustrierend… Nun ja ich habe jetzt einen Ernährungsvorschlag und ein individuelles Training zweimal die Woche. An den Ernährungsplan kann ich mich bei meiner essfanatischen Gastmutter eh nicht halten. Da werde ich wohl beim Training ranklotzen müssen…obwohl ich eigentlich nicht weiss wo an mir Fett sein soll….


Fazit: Ich bin zu fett…oder die Maßstäbe zu dünn…

Sonntag, 17. Oktober 2010

selbstlose Kinderlein

Wieder an einem Samstag auf dem Weg zur Schule. Ich muss mittlerweile gestehen, dass ich es mag, am Samstag zur Schule zu gehen. Nicht etwa wegen des Bildungssystems, sondern wegen Dascha. An einem Samstag hat kein Kindergarten geöffnet- ergo ist Dascha den ganzen Tag zu Hause. Und dieses Kind hält man mehr als einen kompletten Tag in der Woche (Sonntag) nicht ab. Außerdem ist die Bakterienschleuder an einem Samstagmorgen nicht so vollgestopft, was den Schulweg wesentlich erträglicher macht.
In der Schule bemerkte heute die Geografienlehrerin zum ersten mal das ich Ausländern bin. Da sitz' ich nun 1,5 Monate in ihrem Unterricht und sie merkt erst heute, dass ich gar nicht verstehe, was sie sagt. Mir wurde der zu schreibende Test erlassen. Ich blätterte stattdessen etwas im Geo – Buch… Und nur gaaanz zufällig las ich besonders lang die Seiten, welche mein Banknachbar, Mr. Galstuk, zum lösen seines Tests benötigte. Die Spickmethoden werden immer dreister. Heute haben sogar welche Sitzplätze getauscht und für einander die Antworten hingeschrieben, die sie wussten. Das macht eine Lernaufwandverringerung um 50%!

Nach Schulschluss unterhielt ich mich noch etwas mit Lisa, Seda, Natascha und Nastja. Sie meinten, dass Prognosen für diesen Winter folgendermaßen lauten. Kurz und bündig: -50°C!!! Das sind –10°C mehr als hier eigentlich sind! Das machen die doch mit Absicht! Nur, damit ich zum Eiszapfen werde!
Ich hörte mich hysterisch lachen. Man meinte daraufhin, man müsse es mit Humor nehmen, es werde schon nicht so schlimm. Natascha nannte ein Beispiel für Humor: „Wer im Sommer nicht verbrannt ist, erfriert im Winter.“ Und da sage noch mal einer die Engländer hätten den schwarzen Humor…


Am Samstag verließen meine Gastmutter und Dascha früh am Morgen die Wohnung, um zur Kirche zu gehen. Wunderbar. Ruhe. Ausschlafen. Gegen 10 blinzelte ich verschlafen und sah wie leichter Schneefall begann…umdrehn…weiterschlafen.
11 Uhr standen Ksjoscha und ich auf. Frühstückten in aller Ruhe und beschlossen anschließend eins auf wohlerzogene, selbstlose Kinderlein zu machen und putzen die Wohnung. Am Vorabend hatte meine Gastmutter wieder mal darüber geklagt, dass ihr nie jemand helfen würde und dass sie morgen wieder die Wohnung putzen müsse, Und da wir etwas Angst hatten, sie würde –statt nur mit dem Zaunspfahl zu winken- uns mit diesem erschlagen, wischten wir den Boden, die Regale und spülten das Geschirr ab. Meine Gastmutter freute sich riesig, als sie in ihr ordentliches Heim kam. Gewünschter Effekt erzielt. Auftrag erfolgreich ausgeführt.

Nach dem Mittag gingen Ksjoscha und ich zusammen mit Lera und Sascha shoppen. Ich kaufte mir ein paar Strumpfhosen, einen Pulli, Handschuhe und extradicke Schuhe, welche Leder, Fleece und Fell beinhalten. Ich hoffe diese halten diesen Winter wirklich ab.
Ich stelle bei Gelegenheit Bilder meiner neuen Ausstattung rein.

Es war ein schöner Tag. Fast 10 Grad warm.

Am späten Abend rief mich Katja an und fragte mich, ob ich am „Sprachenfestival“ teilnehmen würde. Einfache Aufgabe: 15Minuten zusammen mit Clemens und Sophia (auch Austauschler) über unser Heimatland Deutschland reden- auf Russisch oder Englisch. Ich sagte zu…wenn ich auch noch nicht weiss ob diese Entscheidung wirklich so gut war…


Gute Nacht :)

Fazit: Samstag zur Schule zu müssen ist doch nicht so übel“

PS.: Ich habe völlig vergessen zu erwähnen, dass ich seit ca 2 Wochen gesund bin und wir wieder fließend Wasser haben.

Freitag, 15. Oktober 2010

86.5%+4+4+4= :D

Als ich am späten Dienstagabend aus dem Fenster sah, schneite es. Der erste Schnee fiel hier also am 12.10.10. Meine Gastmutter meinte am nächsten Morgen, dass der Schnee schnell tauen würde, aber in 40 Tagen mit dicken, weißen Flocken zu rechnen ist. Um ehrlich zu sein, freue ich mich nicht auf den Winter. Meine Eltern schickten vor einiger Zeit ein Paket ab, in welchem sich unter anderem meine Winterjacke befindet. Aber dieses Paket scheint immer noch unterwegs zu sein, weshalb ich ohne Winterjacke bin. Wenn es dauerhaft kälter werden sollte, werde ich mir wohl hier eine kaufen müssen.
Ich machte mich also auf den Weg zur Schule. Während ich gestern Dank Regens um riesige Pfützen tänzelte und aufpasste, von vorbeifahrenden Autos nicht nass gespritzt zu werden, so lief ich heute an Wiesen vorbei, welche mit einer leichten Schneedecke überzogen waren. Hier ein Beiweisfoto:


In Russisch bekam ich mein Heft wieder, welches zwecks Bewertung zweier Hausaufgaben eingesammelt worden war. Ich schlug es auf. Einmal Note 4 und einmal sogar 4+! Bei den Hausaufgaben hatte mich natürlich Ksjoscha unterstützt, dennoch waren mindestens 50% von mir erledigt worden. Erfolgserlebnis! Und da aller guten Dinge drei sind, gesellte sich in Algebra noch eine weitere 4 auf meine Hausaufgabe hinzu, welche ich komplett selbstständig gelöst hatte! DAS nenne ich ein wirkliches Erfolgerlebnis!

In Englisch musste ich etwas vom deutschen Weihnachtsfest erzählen. Als ich erzählte, dass wir einen Adventskalender haben und was das überhaupt ist, meinte man fasziniert, dass es so etwas hier nicht gäbe aber wenn, dann wäre es ein Kassenschlager.
Ich blätterte etwas durch das Englischbuch und überflog eine Seite auf welcher verschiedene berühmte Festlichkeiten beschrieben waren. Man fand Informationen zum Karneval in Rio, St. Patrics Day und Oktoberfest! Ich wusste zwar, dass es weltbekannt ist, und dass jedes Jahr Menschen aus aller Herren Länder dahin pilgern- aber dass es sogar im Englischunterricht erwähnt wird, ist wirklich eine kleine Sensation!

Nach der Schule erfragten wir unsere Ergebnisse von der Englischprüfung. Eine Maximalprozentzahl von 25% war in jedem der vier Teile der Prüfung zu erreichen.
Hier meine Resultate:

Lesen: 18,5%
Schreiben: 24%
Hören: 19%
Sprechen: 25%
Gesamt: 86,5%

Es gibt leider kein Zertifikat. Es ist nur zur Feststellung des eigenen Wissensstandes. Man meinte zu mir, dass mein Resultat als „ausgezeichnet“ eingestuft wurde. Na klasse, da habe ich nun ein ausgezeichnetes Resultat und bekomme kein Zertifikat!
Was meine eigene Meinung zu meiner Leistung angeht, weiss ich, dass ich es besser kann. Die Ergebnisse im Lesen und Hören sind schlecht und vermutlich auf meine neue Umgebung und leichte Sprachverwirrung zurückzuführen. Aber immerhin einmal volle Punktzahl! Da meinte es die Prüferin wohl ernst, als sie meinte, es habe ihr Freude gemacht sich mit mir zu unterhalten…

Anschließend holten wir Dascha vom Kindergarten ab, da dort das Licht ausgefallen ist und man nicht möchte, dass die Kleinen im Dunkeln sitzen. Es regnete etwas. Dascha sprang, mit einem kleinen, bunten Regenschirm in der Hand, von einer Pfütze in die nächste. Sie kreischte und lachte dabei- wieder erinnerte sie mich an die Erzählungen meiner Eltern, welche meinten ich sei solch ein Kleinkind gewesen.

Am Donnerstag taumelte ich im Halbschlaf zum Fenster und sah hinaus. Schock. Weiß. Schnee. Oktober. Ich habe das mal fotografisch festgehalten.


Blick aus Ksjoschas und meinem Zimmer.


Blick aus Küchenfenster- man beachte die Kirche links im Bild :)


Nach der Schule war der Schnee zum Glück wieder geschmolzen und liess eklig matschige Fußwege und überflutete Straßen zurück. Dies wiederum hatte zur Folge, dass ich auf dem Heimweg abermals um Pfützen tänzelte.

Im russischen Heim angekommen traf mich der zweite Schock des Tages. Ich hatte Durst und wollte Zwecks dessen Tee aufsetzten. Ich drehte den Wasserhahn auf…drehte…drehte…aber Wasser kam und kam nicht. Ich versuchte es im Bad- auch da kein Wasser. Wir hatten also kein Wasser. Klasse. Draußen sammelt es sich auf den Straßen aber in der Wohnung haben wir keines.
Ich hatte nicht viel Zeit um darüber groß in Panik zu verfallen, da ich bereits um 5 beim Sport bestellt war. Diesmal würde ich „getestet“ werden.

Zwecks dessen musste ich einen russischen Fragebogen ausfüllen. Zum Glück half mir die Trainerin. Es waren Fragen rund um meine Gesundheit- ob ich rauche, Herzerkrankungen habe und so weiter. Anschließend wurde ich vermessen. Körpergröße, Beinlänge, Armlänge, Bein-, Hals-, Handgelenk-, Taillenumfang usw. Alles was an einem menschlichen Körper mit Zahlen fest zu halten ist, wurde notiert. Dann noch ein Fragebogen zu meiner Freizeitgestaltung und Essgewohnheiten. Gefolgt von einigen sportlichen Tests z.B. wie viele Liegestütze ich kann oder wie viele Kniebeuge innerhalb von 4 Minuten ich schaffe. Ersteres waren labsche 3 und letzteres immerhin 105.
Am nächsten Mittwoch wird mir mitgeteilt, welches Training ich ab sofort habe und in welchem Zustand sich mein Körper befindet.
Danach folgte das einstündige Sportprogramm. Diesmal tönte aus den Lautsprechern „this is the end !“ Während also jemand sang „das ist das Ende“ hatte ich wieder mal das innerliche Bedürfnis dem zustimmen zu müssen.
Etwas langsamer als sonst ging ich nach Hause- die 105 Kniebeuge und anschließender Sport waren eindeutig spürbar.


Am Freitag war mein erster Gedanke „okno- Fenster“. Also stürmte ich zum Fenster und schaute hinaus. Kein Schock. Kein Weiß. Kein Schnee. Hier Foto:


Es sollte ein regnerischer, kalter Tag werden. Wieder Pfützen und nassspritzende, vorbeifahrende Autos. Es ist wirklich immer noch unfassbar für mich, wie uneben die Straßen sind und wie viel Wasser sich dadurch auf den Straßen sammelt!
Nach der Schule gingen Ksjoscha und ich mit der Englischlehrerin (und YFU- Freiwilligen) mein Visum verlängern. Es stellte sich heraus, dass ich die falschen Fotos hatte- sie dürfen nicht glänzend sein. Außerdem fehlte noch ein Dokument. Im Klartext hieß das für Ksjoscha und mich: Hinaus in den Regen, Dokumente holen, Kopie davon anfertigen und dann noch Passbilder machen.
Alles klappte reibungslos. Als wir die Passbilder machten, wurde die Fotografin unglaublich lieb als sie erfuhr, dass ich Ausländern bin und die Bilder für mein Visum benötige. Sie erzählte bei ihr hätte mal eine Thailänderin gelebt und bei Freunden ein Deutscher…
Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie gastfreundlich und gutmütig die Menschen hier sind- vor allem wenn sie erfahren, dass man von Außerhalb ist.
Schließlich hatten wir unsere 7 Sachen beisammen und fuhren wieder zu der Englischlehrerin. Um endlich mein Visum zu beantragen. Wir füllten Formulare aus. Der Beamte war überrascht, dass ich bereits verstand was er sagte- ich bin immer noch unzufrieden mit meiner sprachlichen Leistung. Soweit ich verstanden habe, ist mein Visum innerhalb von 20 Werktagen fertig. Dieses gilt dann bis zu meiner Abreise.

Ksjoscha und ich kamen erst gegen um 7 in der Wohnung an- der Behördengang hat die gesamte Zeit von 14 bis 19 Uhr beansprucht!
Die „Oma“ war zu Besuch. Wir aßen zu Abend und gingen anschließend erschöpft zu Bett,


Fazit: Die Menschen hier sind gastfreundlich, aufgeschlossen und hilfsbereit.

Dienstag, 12. Oktober 2010

2 mal 5 ergibt :)

„Nur ein freier Tag in der Woche ist definitiv zu wenig…“ Das war mein erster Gedanke, als ich am Montagmorgen aufstand.

In Englisch hatte ich meine Hausaufgaben fehlerhaft erledigt. Am vergangenen Donnerstag und Freitag hatte ich anstatt Englisch andere Stunden und musste deshalb jemanden nach den Hausaufgaben fragen.
Wir mussten uns hinstellen und die Lehrerin fragte der Reihe nach, immer einen kleinen Teil der Hausaufgabe, ab. Die Person, welche mir die falschen Aufgaben nannte, hatte ihre Hausaufgaben wenigstens auch falsch. Ich war eine der Letzten, welche antworten musste- ich merkte also, dass meine Hausaufgabe falsch war. Diese Fehlleistung gestand ich natürlich nicht ein, denn immerhin habe ich hier den Ruf eines Englischgenies inne- und den gilt es so lang wie möglich zu behalten! Ich antwortete einfach aus dem Stegreif heraus und sah dabei in mein Heft, als ob ich meine Antwort abläse. Die Hausaufgabe war umfangreich und immer wieder fragte die Lehrerin Einen nach dem Anderen zu den unterschiedlichen Aufgaben ab. Ich saugte mir immer neue Antworten aus den Fingern - immer erstaunt, dass die Lehrerin an diesen nichts auszusetzen hatte. Zum Schluss erhielt ich eine 5 für exzellent erledigte Hausaufgaben. Unfassbar! Doch ein Glück kommt selten allein und so gesellte sich eine weitere 5 hinzu. Zwei 5 in einer Englischstunde- daran könnt' ich mich glatt gewöhnen…

Im russischen Heim angekommen, beschloss ich meiner Gastmutter einen Gefallen zu tun und hackte ein großes Bündel Petersilie (ein Strauß von ca.5 cm Durchmesser an den Stängeln). So eine kleine Geste und doch freute sich meine Gastmutter sehr darüber. Sie meinte, endlich habe mal jemand erkannt, dass man auch helfen könne. An dieser Stelle einen Gruß an meine Oma (die Mutter meines Vaters) welche einst sagte, dass ich die Fähigkeit hätte zu erkennen, wo man helfen könne.


Am Dienstag schrieb ich in der ersten Unterrichtsstunde einen Test in Algebra. Ich glaube, ich habe zumindest die Aufgabenstellungen verstanden- ob ich auch noch richtig gerechnet habe, ist wieder etwas Anderes.
In Geschichte saß ich neben Natascha (der Klassenbesten). Sie ist sehr interessiert an Deutschland- eigentlich an allem. Sie saugt Wissen förmlich wie ein Schwamm in sich auf. Ich erzählte ihr also von meiner Heimat und schrieb ihr die 16 Bundesländer Deutschlands samt russischer Übersetzung auf. Ihre Augen leuchteten während ich schrieb und erzählte.


…Liebste Grüße


Fazit: Also nehmt euch zu Herzen, dass ein anderer Mensch ein Funkeln in den Augen hat, wenn man ihm vom deutschen Alltag erzählt.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Fresskoma

Am Samstag war der große Tag. Der Tag der Englischprüfung. Ich habe Ksjoscha einem Verhör unterzogen. Sie antwortete, diese Prüfung würde jedes Jahr stattfinden und bestünde aus 4 Teilen. Einem schriftlichen-,einem Hör-, Grammatik- und mündlichen Teil. Wer diese Prüfung besteht, bekommt ein nettes Papier, auf welchem seine Leistung bestätigt wird.

Da saß ich nun an einem Samstag in einer Schule und schrieb nach erfolgreich überstandenem Schulalltag eine Englischprüfung. Mir schwirrten zahlreiche Gedanken durch den Kopf zum Beispiel: Deutsche sitzt in Russland und legt eine Englischprüfung ab… welch' Nonsens…
Oder:
Alle Welt klagt über Umweltverschmutzung und überflüssige Papierverschwendung und nun schreiben mehrere hundert Schüler einen Test der aus einem ca. 0,5 cm dicken Papierstapel besteht…
Der schriftliche-/hör- Teil war nach 2 Stunden überstanden. Nun war der mündliche Teil an der Reihe. Man reihte sich in lange Warteschlangen ein. Natascha und ich betraten den Gesprächsraum. Wir wurden geprüft und aufgefordert, bestimmte Themen zu diskutieren. Als die zwei Prüferinnern merkten, dass ich Deutsche bin, wurde ich gleich auf Englisch zu meiner Heimat und den Beweggründen meines Austausches verhört. Ich wurde mit den Worten: „Danke, es war uns eine Freude mit dir zu sprechen und viel Erfolg hier!“ entlassen.
Als ich um 6 endlich die Schule verliess konnte ich die Englischprüfung als „gar nicht schlecht gemacht“ abhaken. Viel mehr sage ich nicht dazu, denn ich möchte mich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Als Ksjoscha und ich das russische Heim betraten, saß die versammelte Familie in der Küche und aß. Ich wurde allen vorgestellt. Ein Mann sprach mich an – die Menge an Namen und Familienbeziehungen war zu groß, um mich zu erinnern wie er hieß und welche Rolle er in dieser Familie inne hat. Er sprach auf Englisch und meinte er müsse es für seinen Job etwas auffrischen. Kein Problem, spreche ich eben englisch. Ich unterhielt mich mit ihm, bis meine Gastmutter zu Ksjoscha und mir meinte, wir sollten essen kommen. Aus Gewohnheit sagte ich „Lasst uns essen gehen!“ auf Russisch. Mein Gesprächspartner sah mich mit großen Augen an. Den Blick kenne ich mittlerweile. Er meinte „Du kannst Russisch! Und wie! Ohne Akzent!“ Ich lachte dankbar und war auch erstaunt- das erste mal etwas Akzentfrei gesagt… so oft wird das sicherlich nicht vorkommen.
Der Abend war sehr schön. Ksjoscha, ich und ihr Bruder unterhielten uns den gesamten Abend über. Das Feiern muss man den Russen wirklich lassen- das können sie wirklich gut. Es wurde gelacht, getanzt, geredet und natürlich gegessen.
Ksjoschas Verwandtschaft ist wirklich sehr nett. Alle sind lieb und freundlich. Egal mit wem ich mich unterhalte, ich treffe immer auf angenehme Leute in ihrer Familie.

Auf dem Bild sieht man Nastja und Natascha...und noch Vlad der Natascha ein Elchgeweih zaubert :)

Am Sonntag erklärte meine Gastmutter, es sei Resteressen angesagt. Ich sah auf die Rester. 3 Salate, Pirogen, Fisch, Kartoffelsuppe, Konfekt, Brot, Wurst, Käse, … genug um noch morgen davon zu essen. Den restlichen Tag waren wir nun dazu verpflichtet, zu essen. Ansonsten war es ein ruhiger, ereignisloser Sonntag…endlich mal etwas Ruhe…
Dascha turnte ab und zu wieder auf mir herum und fragte schließlich wieder wo meine Familie sei. Ich antwortete sie sei weit weg in Deutschland und dann erstaunte sie mich. Sie meinte: „Zeig mir Bilder!“ Ich gehorchte und zeigte ihr die Bilder auf meinem Laptop. Das kleine Mädchen kletterte auf meinen Schoß und hörte meiner Erklärung zu und beäugte mit großen, neugierigen Augen die Fotos. In diesem Moment kam sie mir auf einmal so verständnisvoll und „erwachsen“ vor ..keine Spur von dem quirligen Kleinkind.

Am Ende des Sonntages hatten wir erfolgreich alle Rester vertilgt und konnten uns – unfähig etwas anderes mit den überfüllten Bäuchen- dem Fresskoma (Schlaf) widmen.

Fazit: „Hier versteht man was vom Feiern!“

Freitag, 8. Oktober 2010

der Hype

Am Mittwoch hatte ich wieder Russisch in der sechsten Klasse - um genau zu sein, habe ich stolze 6 mal in der Woche dieses immer noch sehr schwierige Fach.
In der sechsten Klasse hat der Hype um mich gerade erst angefangen. Und er ist weitaus heftiger, als in der 9. Jede Pause vor besagter Unterrichtsstunde bildet sich ein Kreis neugieriger Schüler um mich. Und dann beginnt das schonungslose Kreuzverhör: "Wo wohnst du?" "Warum bist du hier?" "Gefällt es dir hier?" "Ist Russisch schwierig?" Und so weiter…
Nur Wasja ist anders. Er unterhält sich auf eine sympathische, ruhige und nicht verhörende Art mit mir. Er bot mir an, bei den Russischhausaufgaben zu helfen. Er ist wie einer der lieben Jungen aus den alten Verfilmungen Erich Kästners - mit treuen Augen, gut erzogen, absolut ehrlich und fleißig.

Dann hatte ich meine erste Stunde in der 10. Klasse- Englisch. Dort war auch die Amerikanerin untergebracht worden. Wir alberten 'rum und bekamen schließlich die Aufgabe, Sätze in die entsprechende Zeitform zu setzen. Sie meinte immer wieder: „Was lernen die hier? Ich habe keine Ahnung was das ist! Das ist so umständlich! Wenn die so viele Zeitformen anwenden werden die ausgelacht in Amerika!“ Also liebe Grüße an die heimischen Mitschüler, welche dieselben 12 verschiedenen Zeitformen büffeln. Im nächsten Test schreibt ihr einfach hin: „In Amerika verwendet man die eh nicht!“
Und ja: ihr habt richtig gehört! Wir alberten 'rum! Ich bin wieder im Stande englisch zu sprechen.

Auch eine Untersuchung vom Schularzt fand statt. Sehvermögen, Wuchs usw. Das wurde an meiner Schule in der 7. Klasse einmal durchgeführt - hier findet dieser Komplettdurchcheck – zu dem sogar ein Psychologenbesuch gehört- jedes Jahr statt!

Und da wir alle schon auf Besuch eingestellt waren, beehrte uns gleich noch die Miliz und belehrte uns erneut, zu dem Thema Drogenkonsum und Ausgehzeiten.

Am Freitag waren wir 10 Minuten zu spät zur ersten Stunde. Durch meine Erziehung bin ich es gewöhnt, mich zu beeilen, wenn ich zu spät komme. Aber hier meinte Ksjoscha nur: Mach keinen Stress!“ Und tatsächlich die Lehrerin war 15min zu spät. Überhaupt scheint hier die Klingel nicht Unterrichtsbeginn zu bedeuten sondern eher:
In den nächsten fünf Minuten kann man sich langsam auf den Weg zum Klassenzimmer begeben.
Eine sehr entspannte Lebensweise- auf jeden Fall stressfrei und Herzkasper verhindernd.

Auch zwischenmenschlich läuft alles prima. Meine Gastmutter scheint mich wirklich gern zu haben. Am Samstag werden wir eine Wohnungseinweihungsfeier zelebrieren. Die gesamte Familie hat sich angekündigt- das kann was werden! Jedenfalls half ich am Freitag bei den Vorbereitungen. Meine Gastmutter war sichtlich begeistert und überhäufte mich mit Lob.

Und da ich gerade dabei bin zu berichten was am Samstag geplant ist, kann ich gleich noch ergänzen, dass ich das Examen in Englisch ablegen werde. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Ich hoffe einfach nur, nicht zu versagen.

In dem Sinne: Eine erholsame Nacht euch.

Fazit: „Bloss keinen Stress machen…“

Dienstag, 5. Oktober 2010

Lehrertag

Heute war ein besonderer Tag. Um genau zu sein: Lehrertag. Während bei uns in Deutschland dieser besondere Tag immer mehr in der Versenkung verschwindet, wird er hier groß gefeiert.
So kam es, dass die übliche Begrüßungstruppe in der Schule heute Luftballons in der Hand hielt, an den Tafeln stand geschrieben: „Zum Lehrertag!“ und den Lehrern überreichte man Blumen oder Konfekt.
Aber hier hören die Feierlichkeiten nicht auf. Es ist des weiteren noch üblich, dass die Schüler der älteren Klassen in den jüngeren Klassen unterrichten und die entsprechenden Lehrer während dessen gemeinsam Tee trinken und entspannen.
Lera, Sascha, Ksjoscha und ich unterrichteten heute in der Klasse meiner Gastmutter.
Erste Stunde Sport. Die Jungs mit Sascha raus in die Kälte und wir Mädels in die Turnhalle- 34 Schüler müssen ja irgendwie aufgeteilt werden. Ich dachte man müsste die nun großartig beschäftigen… Ksjoscha trat gegen einen Fußball und rief „Fußball!“ und die Mädels der zweiten Klasse stürzen sich laut kreischend auf den Ball und traten darauf ein, als gäbe es kein Morgen mehr. Da sie sich offenbar selbst bespaßen konnten, spielte ich mit Kolja Basketball, bis die Pausenglocke tönte.
Wir unterrichteten noch zwei weitere Stunden. Es ist schon nicht leicht, solch eine Rasselbande unter Kontrolle zu halten- dennoch war es wesentlich spaßiger als normaler Unterricht. Zum Dank versorgte uns meine Gastmutter mit Keksen und Tee.
Die Kleinen aus der Klasse meiner Gastmutter sind wirklich goldig. Ich musste mich ja schon mal vor ihnen vorstellen (erinnert ihr euch?)... immer wenn sie mich gesehen haben, haben sie mich wiedererkannt, breit gegrinst, "Scharlotta" gerufen und eifrig gewinkt.

Nach der Schule schlenderte ich mit Mr. Galstuk (einer der Koljas) noch durch die Läden. Ich kaufte mir Briefpapier und -umschläge. Nun kann ich auch mal Briefe in die Heimat schreiben…wenn ich mal eine ruhige Minute finde… .

Um 5 ging ich wieder zum Sport. Diesmal ein neues Programm- dabei konnte ich das alte nicht mal richtig. Wie immer wahnsinnig anstrengend.

Am Abend besuchte uns noch die „Oma“, welche ich wirklich als sympathische und vor allem kluge Frau beschreiben kann. Ich habe sie gern- wie sowieso fast alle hier.

Also: Alles paletti.

In dem Sinne- liebste Grüße!

Tagesfazit: „Der Lehrertag sollte in Deutschland nicht so vernachlässigt werden!“


Zusatzinformation: Ich veröffentliche meinen Blog jetzt nur noch jeden Dienstag, Freitag und Samstag. Langsam stellt sich hier für mich Alltagsstress ein. Ich muss lernen und mache viel mit Freunden. Ich möchte, dass mein Blog interessant bleibt, weshalb ich nicht mehr täglich schreibe.

Montag, 4. Oktober 2010

Ich denke russisch!

Heute habe ich angefangen zusammenhängende, russische Sätze zu denken.

Bereits nach einer Woche schwebten einzelne, russische Worte durch meinen deutschsprachigen Gedankengang.

Ich denke jetzt also zum ersten mal in einer anderen, als meiner Muttersprache.
Nach Mathematik wollte ich mich wieder mit der Amerikanerin unterhalten und diesmal fiel mir nicht mal mehr „Wie geht es dir?“ oder „Was hast du heute noch vor?“ ein. Permanent dachte ich an die entsprechende russische Frage- aber englische Vokabeln wollten mir einfach nicht einfallen.
Im Fach Englisch klappt meine Sprachfähigkeit hingegen noch sehr gut. Ich arbeite permanent mit und habe wieder eine 5 bekommen (also eine 1)!
Ich möchte mal wissen woran das liegt, dass ich mich außerhalb der Stunde nicht mehr anständig auf Englisch unterhalten kann…

Als ich am Montag in meinem russischen Heim ankam, war es ungewohnt warm. Offenbar hat jemand ein Erbarmen mit uns gehabt und die Heizung angestellt.
Am Nachmittag nahmen Sascha, Ksjoscha und ich noch eine Blumenlieferung an. Nun ist unsere Wohnung mit Alpenveilchen und Orchideen bestückt.


Auch die erste Wäsche wurde in der neuen Waschmaschine gewaschen. Sie wäscht wunderbar leise und gründlicher als ich. Wie ich diesen Luxus vermisst habe!


Es wird nach und nach richtig wohnlich in der frisch bezogenen Wohnung.

Tagesfazit: „Ich kann wirklich in einer andern Sprache denken!“


Und hier noch ein paar Bilder der morgendlichen Verkehrssituation...



Die sechsspurige Straße ins Zentrum- zu meiner Schule...





Bei dem Verkehrstumult möchte ich kein Autofahrer sein..

Sonntag, 3. Oktober 2010

Hurra, wir haben eine Waschmaschine!

Liebe Mama, lieber Papa,
ich bin euch zu tiefst dankbar, dass ihr nicht noch mit Anfang 40 beschlossen habt ein nerviges Kleinkind in die Welt zu setzen…

An einem Sonntagmorgen um 6 Uhr wegen klein Dascha wach zu sein, kann einem schon leicht den rosigen Sonntagshorizont verdunkeln.
Gegen 7 Uhr kam die „Oma“ vorbei. Sie analysierte die Namen, der Schüler meiner Gastmutter (immerhin 34!). Meine Gastmutter wollte wissen, wen man zur Mathematikolympiade bzw. Sprachwettbewerb schicken könne.
Ich bedeckte meine Ohren mit einem Kopfkissen und döste noch eine Stunde vor mich hin, bis vermutlich gegen 8 der Mann der „Oma“ zu Besuch kam. Eine sehr intensive, männliche Stimme ertönte durch die Wohnung. Dazu dann noch Daschas vergnügtes – leider sehr lautes- quietschen, als er mit ihr Ball spielte. Ich verkroch mich mit Kopfhören, meiner Lieblingsmusik, dem Kopfkissen über den Ohren unter die Bettdecke und versuchte weiter zu schlafen… es halt nichts- vielleicht währen Ohropax eine gute Anschaffung… Der Opa hat solch eine intensive Stimme, dass ich ihr mir zu seiner Person einen hochgewachsenen, russischen Bären vorstellte. Als dann noch der andere Opa zu Besuch kam, um die Waschmaschine anzuschließen, war an Schlaf nicht mehr zu denken. An einem Sonntagmorgen stand ich also um 9 Uhr auf und machte mich vorzeigbar.
Ich wurde dem russischen Bären vorgestellt. Er war 2 Jahre in Deutschland gewesen. Dort war er in Weimar, Leipzig, Gera, Chemnitz usw. gewesen. Er kann gar nicht so schlecht Deutsch- er freute sich offenbar sehr seine Deutschkenntnisse präsentieren zu können. Er ist übrigens kein „russischer Bär“. Während der Unterhaltung stand ich gegenüber eines Mannes, welche genau so groß war wie ich und nicht sonderlich muskulös. Seine Haare waren schwarz- grau, sein Gesicht leicht eingefallen und zur Hälfte mit einem Dreitagebart bedeckt. Eher ein unsympathischer Mann- aber dennoch freundlich. Dascha liebte ihn jedenfalls, denn sie unterbrach unsere Unterhaltung, um den geliebten Opa zum Spielen aufzufordern.
Die versammelte Mannschaft frühstückte zusammen. Der Opa und die „Oma“ verabschiedeten sich bald darauf. Meine Gastmutter und Dascha machten eine Spaziergang- Ksjoscha und ich nutzen Daschas Abwesenheit, um noch etwas zu schlafen.

Der restliche Tag plätscherte so vor sich hin. Man aß, machte Hausaufgaben und ruhte sich aus. Das einzig nennenswerte Ereignis ist, dass jetzt unsere Waschmaschine funktioniert- hurra!

Tagesfazit: „Ohropax kaufen!“


Kleine Randnotiz: Das Internet ist hier teilweise so überlastet, dass ich meinem Vater e-mails mit den Bildern schicken musste, welche noch hoch zuladen sind! Ein umweg von 2.700km nötig...

Samstag, 2. Oktober 2010

Tag der Gesundheit

Daschas lautes Lachen erfüllte heute Morgen die Räume unserer Wohnung- und weckte mich. Heute ist „Tag der Gesundheit“ an meiner Schule. An einem Samstag im russischen Schuljahr findet kein Unterricht statt- dieser Tag was heute. Es ist schon etwas nervig nie richtig ausschlafen zu können, da Dascha das Wort „leise“ - und vor allem dessen Umsetzung - offenbar nicht kennt.

Um 11 skypte ich mit meiner Familie. Die wirkliche Entfernung zu einander wird einem vor allem durch das skypen bewusst. Die Tatsache, dass man einen Computer benutzen muss, um einander sehen zu können, macht einem das bewusst. Dennoch war es schön zu sehen , dass sich im Grunde nichts verändert hat. Meine Mutter spricht immer noch höher, wenn sie sich freut, mein Vater ist immer noch entspannt und ruhig. Meine Schwester grinst immer noch niedlich, wenn sie sich freut mich zu sehen und ist wie gewohnt etwas wortkark- wenn auch zu meinem Bedauern.
Wir unterhielten uns, bis ich mich schließlich auf den Weg ins Kino machte.

Man hatte mir einen Sitzplatz zwischen den beiden Koljas gekauft. Wir sahen eine russischen Film namens: „die Monster“. Ich verstand ziemlich viel vom Film- mehr als nur den groben Inhalt. Der Film war langweilig- wiedereinmal menschheitsvernichtende Riesenmonster. Ich gehe eigentlich auch nicht ins Kino wegen der Filme, sondern eher wegen der Gesellschaft. Da saß ich also zwischen den zwei Kojas, die sich einen Spaß draus machten mich beim Film sehen zu stören. Also plauderte ich eher mit den beiden, als auf den Film zu achten- war aber auch wesentlich unterhaltsamer.

Nach dem Kino gingen wir alle noch zu Mc Donalds. Dort spielten wir wieder Kartenspiele, aßen etwas- kurz gesagt hatten jede Menge Spaß.
Danach spazierten wir noch etwas und machten uns auf den Heimweg.
Bei dem Bild sagte mir Lisa gerade wie gern sie mich hat :)
Lisa, Ksjoscha, Lera, Nastja, Natascha, ich, Lena

Nastja und Timur, Lisa, Ksjoscha, Elija, Lera, Lena und Natascha

In meinem russischen Heim angekommen erwartete man uns bereits. Die „Oma“ und Sascha waren zu Besuch. Wir aßen wieder viel zu Abend. Die „Oma“ hat Saschas Namen analysiert und erzählte ihm nun welche Eigenschaften und Begabungen im mit gegeben worden seien. Auch meinen hatte sie analysiert. Sie erzählte mir folgendes:

Durch den Namen „Charlotte“ lässt sich folgendes zu meiner Persönlichkeit sagen…

- ich besitze eine sehr feminine Art
- zudem eine gewisse Schönheit
- auf andere Menschen mache ich meistens einen positiven, angenehmen Eindruck…man hat mich gern um sich
- in Sachen Beziehung mag ich stabile Verhältnisse und bin sehr treu
- ich besitze viel Temperament
- dieses wiederum ist mir bei meinen Partner egal- er soll nur treu sein und mir besagte stabile Verhältnisse verschaffen können. Andern falls ,so meinte sie, hätte ich kein Problem damit ihn zu verlassen und zum Workerholicer zu werden.

Wieder halte jeder davon was er will.
Sascha fragte dann noch welchen Berufsweg sie ihm empfehlen würde. Nun war auch ich neugierig geworden. Ich habe momentan so gar keine Ahnung, womit ich mal meine Brötchen verdienen werde- nur viele Brötchen sollten es sein. Sie meinte meine Begabung liege in Sprachen und ich sei auf dem richtigen Weg. Na das hört man doch gerne!
Wir unterhielten uns noch lange. Irgendwie kamen wir auf das Thema Handy zu sprechen und das Ksjoscha wieder ihre 100 Freisms am Tag überschritten hatte- mir ist immer noch ein Rätsel wie sie so viel am Tag simsen kann… . Ich erzählte, dass mir aufgefallen ist, dass hier alle permanent simsen oder telefonieren. Im Unterricht simst man- den Lehrer stört es nicht. Am Essenstisch simst man. Als wir im Mc Donald´s waren sprach alle 10 Minuten jemand auf, weil er telefonieren müsse. Selbst auf der Toilette telefoniert man hier! Schrecklich! Man fragte mich wie es in Deutschland sei. Ich erzählte, dass Handys in der Stunde verboten sind, beim Essen (vor allem mit der Familie) gar nichts zu suchen hätten und wenn man mit Freunden zusammen ist, man nicht alle naselang aufspringt um mit jemand anderem mittels besagtem Kommunikationsgerät zu reden. Man sah mich mit großen Augen an. Die „Oma“ begann während meiner Erzählung zu lachen und meinte schließlich „Das nenn ich mal eine gute Erziehung- beim Essenstisch kein Handy!“ In dem Sinne liebe Grüße an meine „Erzieher“ .
Die „Oma“ und Sascha verabschiedeten sich gegen 9 und wir anderen gingen erschöpft zu Bett.

Tagesfazit: „Ich habe eine gute Erziehung genossen!“

Freitag, 1. Oktober 2010

das nenn ich mal ´nen Erfolgserlebnis

Wieder ein normaler Schultag in Cheboksary (übrigens Tscheboksari ausgesprochen).
Dennoch gab es ein erwähnenswertes Erfolgserlebnis. Wir hatten heute wieder Physik. Ich habe einen gewissen Ehrgeiz bezüglich dieses Faches, da ich möchte, dass mich die Lehrerin weiterhin für eine hervorragende Schülerin hält. Zur Zeit dreht sich in Physik alles um Geschwindigkeit und deren Berechnung. Eigentlich nicht schwer- wenn nicht die Grundvorrausetzung zum Berechnen der gesuchten Werte das Verständnis der Textaufgabe wäre. Aber dennoch gelang es mir heute drei Aufgaben zu lösen. Es waren simple Aufgaben. Nach dem Schema: Ein Traktor fährt in der und der Zeit, mit der und der Geschwindigkeit. Berechne den zurückgelegten Weg! – Ich bin zwar noch Lichtjahre davon entfernt, selbst so etwas verfassen zu können, aber das Verständnis solcher Textaufgaben ist doch schon mal ein Anfang!

In der 6. Stunde hatte ich zum ersten Mal Russischunterricht in der 6. Klasse. Ich verstand deutlich mehr, als in der 7. Klasse. Ich werde diesen wohl weiterhin besuchen, obwohl es natürlich trotzdem sehr schwierig ist.

Da ich durch den Besuch des Mathematikunterrichts in der 7. Klasse nicht mehr zu dem der 9. Klasse muss, hatte ich heute eine Stunde eher Schluss als Ksjoscha. Ich bummelte durch die Läden und erkundete ein paar neue Wege. Es ist auch manchmal gut, wenn man allein auf Entdeckungstour geht. Während ich so bummelte, fiel mir wieder auf, wie gewöhnlich der Anblick einer Frau mit Flechtkorb und Reisigbesen, welche das Laub zusammenfegt, hier ist. Es hat etwas längst Vergangenes an sich, jemanden mit Flechtkorb und Reisigbesen Laub zusammenfegen zu sehen. Auch fielen mir wieder die streunenden Katzen und Hunde, welche es hier zu Hauf gibt, auf.
Ich kaufte ein paar Schreibhefte für Englisch, Mathe und Physik ein und fuhr anschließend zur Wohnung.

Als ich dort ankam, machte ich Hausaufgaben. Bald darauf kamen Ksjoscha und Sascha.
Die beiden sahen zunächst Fernsehen, bis sie ebenfalls Hausaufgaben machten. Sascha fallen Naturwissenschaften nicht schwer, weshalb er immer bei Hausaufgaben helfen muss. Er überprüfte meine gelösten Aufgaben in Physik. Noch ein Erfolgserlebnis! Ich konnte 6 von 9 Aufgaben lösen und diese waren auch noch richtig! Ich freute mich so sehr drüber, dass Sascha meinte, ich werde das noch meinen Enkeln erzählen. Er sagte ich würde dabei in einem Schaukelstuhl sitzen und immer wieder sagen: „Hört mir zu! Ich habe in Russland Physikaufgaben selbst und richtig gelöst!“
Bald kamen meine Gastmutter, ihr Vater, die „Oma“ und Dascha. So viel Besuch heute! Aber heute wurde auch die Waschmaschine angeliefert! Jeha! Welch Luxus in unserer bescheidenen Wohnung! Ja, hier trifft wieder zu: „Man weiss erst was man hatte, wenn es fort ist.“ Ich freue mich wirklich, meine Jeans nicht mehr per Hand waschen zu müssen!

Zum Abendessen wurde viel aufgetafelt: Pizza, Kuchen, Muffins, Schokolade, Brot usw. Meine Gastmutter erzählte vom Elternabend, welcher kürzlich stattfand. Ksjoscha ist Klassenbeste!
Dann analysierte sie Saschas Geburtsdatum genau so, wie sie es einst bei mir gemacht hatte. Es war eine gemütliche Runde, bis die „Oma“ um 20 Uhr die Wohnung verlies.
Auch Sascha ging bald. Nach dem Sandmann ging ich brav in mein Bettchen.
Apropos Bettchen- in der russischen Alltagssprache wird viel verniedlicht. Man isst keinen Apfel, sondern ein Äpfelchen. Auch liest man ein Büchlein und kein Buch.
Und da wir gerade bei allgemeinen Neuigkeiten sind, kann ich euch gleich noch erzählen, dass heute die erste Nacht mit Temperaturen unter 0°C war! Minus zwei Grad Celsius und das Anfang Oktober! Sogar Raureif habe ich heute Morgen sehen können! In dem Sinne ein dreifaches Hoch auf die Zentralheizung, denn von den fast winterlichen Temperaturen merk ich in der Wohnung nichts.

Gute Nacht!

Tagesfazit: „Ich mach Fortschritte- wenn auch kleine. Aber wie heißt es so schön: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!“